Es geht sooooo verdammt schnell, es wirkt wie eine Ewigkeit, seit ich erfahren habe, das Hubertus Rat Stipendium antreten zu dürfen. Ich habe geplant, überlegt wo es hingehen soll, Dinge organisiert, Koffer gepackt, vor meiner Abreise eine kleine Abschlussfeier im Kreise der The Sign-Familie und aller Freunde der Vienna Bar Community geschmissen, im Schottenrock wohlgemerkt… Und auf einmal ist es September und da dieser auch schon wieder fast herum ist, steuere ich unaufhaltsam der Halbzeit meines Abenteuers entgegen.

Back to Life

September heißt für viele Menschen, aus dem Urlaub zurückkehren, die erste Schultüte überreicht bekommen, ein neues Jahr voller Prüfungen und Lernen beginnen. In süßen Erinnerungen schwelgen all die Weltenbummler, die den Sommer fern ab der Heimat verbracht haben, stolz trägt man die Urlaubsbräune ins Büro, andere versuchen noch schnell die letzten Sonnenstrahlen und ein wenig Wärme zu sammeln. Langsam wechseln die Blätter ihre Farbe, da und dort hört man ein leises Murren ob des ewig wieder grüßenden Alltags, der dem zwischenzeitlichen Müßiggang und Erholungsfenster den Realitätsriegel vorschiebt.

Altweibersommer…

Für mich war der September immer ein besonderer und charmanter Monat. Ja, „Streeeeeber“ werden alle schreien, aber ich ging immer gerne zur Schule, man sieht Freunde und Kollegen wieder und während sich mancher schon nach dem nächsten Juli streckt, freue ich mich immer auf den Altweibersommer, neue Ideen und Energien, eine neue Saison und den nahenden Geburtstag meines Bruders und mir.

Nass grau, London halt

„Guess what“, auch in London gibt es September. Die trügerisch warmen Tage mit Sonnenschein sind dem Klischeebild der britischen Wetterkapriolen gewichen, der Wind bläst frisch durch die Gassen, fast jeden Tag kühlt der feine Nieselregen die Luft ab und wäscht den Staub der Stadt in die Kanäle. Manch einer würde sagen, die Barsaison erwacht langsam wieder aus dem Sommerschlaf; nun ja, die letzten Monate waren für mich hier aber genauso busy wie immer. Wirklich ruhig ist es in Londons Top-Bars nämlich auch während der warmen Jahreszeit nicht, selbst wenn es Richtung Weihnachten noch eine Spur verrückter wird.

Halbzeit, Spielanalyse?

Ich möchte garantiert nicht in den Chor derer einstimmen, die ihre feste Überzeugung, die Zeit vergehe immer schneller, mit einer leisen Melancholie hinausrufen. Einzig ich kann selber kaum fassen, was ich in dieser Zeit schon alles gesehen, erfahren, gemeistert und erarbeitet habe. Das Gefühl, immer noch wie im Film über die Leinwand zu traben, will nicht recht vergehen.

Man wird kein besserer Mensch und kein besserer Bartender, weil man seinen Hanky Panky plötzlich im Savoy rührt oder mit Ago Perrone und einem Martini-Trolley durch das Connaught düst. Es sind die persönliche Entwicklung und der Reifeprozess, die einen eine komplett neue Umgebung, eine nie erlebte Stadt und das Arbeiten in einem fremden Land lehren.

Und davon wartet noch einiges mehr auf mich. Halbzeitbilanz, Spielanalyse – Fehlanzeige! Das Glas ist noch halbvoll und nicht schon halbleer, außerdem ist jetzt erst mal immer noch September, mit ein bisschen Magie des ganz Gewöhnlichen und dem Zauber des Alltags.

Mit den besten Spirits
Euer Reini