Sacred Sunday oder der verrückte Professor und sein Wohnzimmer

05122013KALEIDO

Dicht hingen die Nebelschwaden über den Dächern Londons, ein eisiger Wind pfiff durch die Gassen – der erste Adventsonntag lud zum Herumknotzen und Nichtstun ein. Es ist Dezember.

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Day off? Sort of…

Natürlich kann man seinen freien Tag, wenn es sowas gibt, im verrückt vorweihnachtlichen Shoppingrausch und Kaufhauswahnsinn begehen; Sonntagsöffnungszeiten wagt hier keiner zu diskutieren, Herr Lugner würde jauchzen vor Freude. Oder man macht sich auf eine halbe Weltreise ans nördliche Ende der Stadt, um einer Einladung zur Sacred Microdistillery zu folgen. Ian Hart und Hilary Whitney führen das kleine unabhängige Business und verkaufen ihre Produkte wie Gin, Spiced Vermouth, Rosehip Cup, Vodka und derlei andere Späße an die besten Bars in London (ja, auch COLD), in die Vereinigten Staaten und globale Drinkdestinationen.

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Zu meiner eigenen Verwunderung und meiner überpünktlichen Wegzeitkalkulation geschuldet, kam ich in Highgate an, mein treuer Stadtplanfreund war hier längst an seine Grenzen gestoßen, die verzweigten Vorortgassen musste ich selbst entmystifizieren und das Labyrinth erschließen. Beim booze-verkaufenden Inder mit französischen Wurzeln nachgefragt, „Talbot Road?“, und final am Ziel.

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Schnapsküche?

Wer jetzt denkt, der Holzkopf hätte einfach nach großen Lagerhallen, freistehenden Kolonnenbrennapparaturen in Hochhausgröße und dampfenden Industriekesseln Ausschau halten sollen, ist sich vielleicht nicht bewusst, wie Masterdistiller Ian Hart den Geist in die Flaschen zaubert. Ich klingelte an der Türe eines Red Brick Reihenhauses, wie es typisch britischer nicht ginge und eine freundliche Dame öffnete mir die Türe. Beim wärmenden … NEIN … Kaffee plauderte ich mit Ian und Hilary über meine Zeit in The Big Smoke, ihre Geschichte mit Sacred und nebenher füllten wir eine Charge Extra Dry exklusiv für das Duke Hotel in kleine 200ml-Flaschen – mitten in der Küche. Weiter ging’s ins Wohnzimmer, wo neben einer Couch, Regalen voller alter Flaschen, etlichen Kisten und großen Plastikkübeln noch eben schnell drei Rotovaporen zu Hause sind.

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Der Mann ist ein Tüftler, bastelt gerne selbst an seinen Apparaturen und Produkten und dass wir vor lauter Euphorie gar nicht wussten, was wir zuerst beplaudern sollten, war bei zwei solch Verrückten nicht weiter verwunderlich. Die Fernbedienung hier erweckte nicht etwa den Fernseher zum Leben, sondern die Vakuumpumpe in dem Schuppen im Hintergarten.

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Christmas Pudding, … -gin?

Die Handhabe der Gerätschaften hatte sich Ian selbst angeeignet und seit 2008 stellt er hier Mazerate und Destillate hier, die anschließend zu den knapp elf Produkten des aktuellen Portfolios zusammengestellt werden. Gemeinsam stellten wir eine Charge Christmas Pudding Gin her (es ist ja bald Weihnachten), Vermouth und Rosehip Cup wurden verkostet, ebenso einzelne Auszüge von Zimt, Wermutkraut, Thymian und was der Schuppen noch hergab – und ich meine wirklich den SCHUPPEN!!

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Zwei Kinder in Disneyland hätten nicht glücklicher sein können… Wie die meisten aber aus Erfahrung wissen, vergeht im Disneyland die Zeit halt auch wie im Flug. Dunkel war es geworden, der nass grau abendliche Nieselregen hatte sich mit der Düsternis zu einem nach wärmenden Alkoholika schreienden Brei vermengt und trieb die Leute von den Straßen. Immer noch aufgeregt, um eine geniale Erfahrung, eine handsignierte Sacred-Flasche und zwei neu gewonnene Freunde in London reicher, stapfte ich zu dem Bus, der mich gemeinsam mit der Tube irgendwann nach Hause bringen würde. Ein weiterer kleiner Schritt auf der Spirits Journey.

Ich öffne ein Türchen im Adventkalender, zünde die erste Kerze am Adventskranz an, summe ein festliches Vorweihnachtslied und bin glücklich… Es ist Dezember!

Mit den besten Spirits
Euer Reini