London breakfast, oder was COLD wirklich heißt

Nach einem langen und anstrengenden Arbeitstag gibt es eigentlich nichts Schöneres als… richtig, noch einen langen und anstrengenden Arbeitstag. Nun, manchmal gibt es dazwischen noch die Möglichkeit, sich der weitläufig überschätzten Entspannungsphase (genannt „Schlaf“) – hinzugeben, dann und wann bleibt einem dieses Glück verwehrt.

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City of London, hochoffiziell

Der außergewöhnliche Grund für eine extrakurze Nacht kann aber auch so wunderbare Hintergründe haben wie die Besichtigung einer Destillerie, die, man höre, lese und staune, mitten in London liegt, genauer gesagt in der City of London, unweit der Themse, des Savoy und der berühmten Fleet Street. Seit kurzem malt hier ein kleines aber feines Team von Spirituosen- und Barprofis einen bunten Pinselstrich durch die Ginlandschaft. Der Master Distiller spielt ein virtuoses Solo auf der Carl’schen Brennanlagen-Geige und in Blickweite der Kupferkessel schwingen die London Bar Consultants die Rührlöffel und begrüßen Gäste an der C.O.L.D Bar. Der Name leitet sich nicht etwa von den hier herrschenden arktischen Temperaturen ab, sondern er ist die Abbreviation des kompletten Namens: City of London Distillery! Könnte glatt ein Regierungsgebäude sein…

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Sehen, schmecken, staunen

Man bietet Führungen durch die Räumlichkeiten, Masterclasses, Seminare, bei denen in Gruppen ein “eigener” Gin fabriziert werden kann, dazu ein profunder Einblick in die Geschichte der Trinkgeschichte, natürlich mit wacholderlastigem Schwerpunkt. Und damit das Ganze nicht zu trocken rüberkommt, darf man dann die Nase und Zungenspitze auch in ein paar ausgewählte Tropfen des über 130 Gins fassenden Backbords halten, das Hausprodukt selbstverständlich inkludiert. Der reguläre Barbetrieb abends verspricht eine sehr spannende und wohlfeile Auswahl an Gin Classic Drinks, Neuinterpretationen und jeder Menge Wacholdervariatonen.

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Für mich war es natürlich von besonderem Interesse, hautnah mit dem Master Blender durch die Destille schlendern zu dürfen, das heißt circa zwei Räume. Hier wird alles in Kleinstakribie und zu 100 Prozent handwerklich artisan selbst gemacht: das Mischen der Botanicals, das Herabsetzen des middle cut auf Trinkstärke, die Flaschenabfüllung, die Etikettierung und Wachsversiegelung. Am Ende steht ein fantastisches Produkt zu einem ansprechenden Preis mit elegant schlichter Optik und ein äußerst stimmiges Gesamterlebnis.

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Und bevor ich es vergesse: das Zeug in der Flasche ist auch noch richtig gut gelungen. Durch die hauseigene Rektifizierung des Grundalkohols ergibt sich ein äußerst fein gezeichnetes, weich cremiges Produkt mit klarer Wacholder- und Zitrusausprägung, dahinter verstecken sich leicht erdige, vollmundige Schokoladentöne, Erinnerung an Orangenmarmelade, Messino-Kekse, Vanille und Cookies, Koriander prickelt am Gaumen – das saftige, frische, fullbodied Erlebnis wird erzielt durch eine zweite Destillation in einer copper pot still, aus der die Alkoholdämpfe über Siebböden an den sieben Botanicals vorbeigeleitet werden.

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Frühstück auf Londoner Art

In der ehrlichen und umfassenden Ginverkostung im Anschluss an die Tour konnte ich mir in vergleichender Betrachtung unterschiedlicher Gins selbst ein Bild von der Qualität machen. Die frühe Stunde ließ zarte Erinnerungen an den anstrengenden letzten Abend und die bevorstehende Schicht aufkeimen – es wurde also gespuckt. Der Hausgin war dann aber doch eine nähere Betrachtung wert und so ein kleines Schlückchen am Morgen war dann doch erlaubt. Breakfast is the most important drink of the day… besonders in London.

In diesem Sinne, Cheers & Slainte, auch wenn’s Gin ist… und bis bald.

Mit den besten Spirits
Euer Reini