Das Öl des Getriebes oder der bescheidene Barback

Egal auf welcher Position man schuftet und welche Funktion man auszuführen hat, in einem so anspruchsvollen Umfeld wie dem Savoy Hotel und der American Bar zu arbeiten, ist permanent fordernd und anstrengend. Aber in der 50° Celsius heißen kleinen Barküche zwischen Kühlschränken, Eismaschine und Gläserspüler Unmengen von Geschirr zu polieren, in einem Anflug von Hyper-Multitasking nebenher die Barstationen mit allem zu versorgen, was die Bartender brauchen, Kaffee und Tee zu machen, sich um Nibbles, Cookies und weiß der Himmel was zu kümmern, ist an hektischen Abenden schier ein Ding der Unmöglichkeit. Gemixt mit den, nun ja, für mich komplett neuen hierarchischen und bürokratischen Eigenheiten eines 5-Stern-Hotelbetriebs, Bestelllisten an siebzehn Departments und Verrechnungsstellen innerhalb und außerhalb des Savoys, ist Teil des diffizilen Alltags.

Mund abputzen, weitermachen (sagen das die deutschen Sportkommentatoren nicht gerne?). Wenn es eines gibt, was ich im Leben nie gescheut habe, dann ist es harte Arbeit, möglichst schnell und genau auszuführen, was man mir sagt und zu versuchen, den bestmöglichen Job zu leisten – in diesem Fall heißt das, eine bescheidene Hilfskraft zu sein, die den Bartendern ein flüssiges Arbeiten ermöglicht.

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Bescheidenheit, Demut, Kampfgeist

Nun, ich war immer – und werde es bleiben – ein sehr bescheidener Mensch, dankbar für die Möglichkeiten, die mir im Leben widerfahren, lernwillig und mir nicht zu gut, die Hände und weiße Uniform richtig dreckig zu machen, Blut zu schwitzen und anzupacken. Viele Bartender, die nur noch an der Umdrehungszahl (äh, Barspoon, nicht Volumenprozent…) ihrer Drinks feilen, Gäste bevormunden, was sie zu trinken hätten und sich selbst in den Rang des mixologischen Barartisten hochfeiern, vergessen vielleicht, was eigentlich alles hinter den Kulissen abläuft, was einen smoothen Barbetrieb ausmacht und wie es sich anfühlt, als kleines Rädchen von allen angepflaumt zu werden, weil man nur 99 und nicht 100 Dinge auf einmal machen kann: Gläser hier, „Wo ist mein Eis?“, „Schnell, die Nüsse“, „Da ist ein Fleck auf der Coupette!“, „Schneller!!!“, „Sorry, es fällt jemand aus, du machst heute und morgen gleich Doppelschichten.“ Verzeiht bitte die etwas rauen und allzu ehrlichen Worte, aber Scheiße fällt nun einmal nach unten, besonders in einem Großbetrieb mit strukturellen Maschinerien, die einem Kreuzfahrtdampfer gleichkommen.

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Wo wir eigentlich herkommen

Keiner von uns hat als ersten Cocktail mit 18 Jahren einen Manhattan mit Zitronenzeste geordert und wir alle haben klein und voller Enthusiasmus angefangen, erste Arbeitserfahrungen neben einem Vorbild oder Mentor zu sammeln und uns Kniffe und Tipps abzuschauen. Manchmal sollte man sich das wieder in Erinnerung rufen und zurück zu den Basics gehen, rekapitulieren, worum es in einer Bar geht und dass aller Anfang hart ist.

Die Erfahrung, quasi wieder ganz von vorn anfangen zu müssen und sich hochzuarbeiten, ist nicht einfach, aber meine Entscheidung dafür ist für mich wichtig und richtig. Dazu kommt, dass gerade in der American Bar so wenige Leute überhaupt die Chance haben, als Bartender zu arbeiten und viele langjährige Barprofis einiges zurücklassen, um hier einen Shaker in die Hand zu bekommen. Mit einem Stipendium, süffisantem Grinser und Großspurigkeit aufzukreuzen und den ersten Hanky Panky zu rühren, wäre da wohl auch etwas vermessen.

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My home is my Castle

In diesem Sinne versuche ich meinen Weg zu gehen, die Spirits Journey ist voller neuer Erfahrungen und Lernmomente. Dafür kann ich euch versichern, wenn man nach 13 Stunden Arbeit und langen Wochen heimkommt, wird die neue Wohnung schnell zu einem liebgewonnen Zuhause und meine kleine Kemenate in Notting Hill ist mir sehr ans Herz gewachsen (nachdem von fleissigen Helfern alles gemanaged, eingerichtet, geputzt, repariert). Gerade für Londoner Verhältnisse bin ich diesbezüglich ein sehr glücklicher Kerl. My home is my Castle.

Mit den besten Spirits aus London,
Euer Reini